An sich zu arbeiten und sich ständig zu verbessern war wohl selten so präsent wie in den letzten Jahren. Glow-Ups versprechen nicht nur eine äußerliche Veränderung – vom strahlenden Teint bis zur perfekten Morgenroutine –, sondern auch mehr Wissen, mentale Stärke und Selbstdisziplin. Alles mit dem großen Ziel: die beste Version deiner selbst zu werden. Doch oft steckt hinter dem Glanz ein hoher Preis – bestehend aus starren Regeln, unrealistischen Idealen und einem nicht zu unterschätzenden Druck. Und trotzdem: Kaum jemand spricht laut über die Schattenseiten dieser Glow-Up-Bewegung. Warum eigentlich? Ist eine Kritik an der Glow-Up-Culture nicht berechtigt?
Um ehrlich zu sein, ich war selbst Teil des Problems – und bin es in gewisser Weise vielleicht noch immer. Ich habe mitgemacht, wenn es darum ging, disziplinierter, schöner, fitter, „besser“ zu werden. Habe mir regelmäßig Glow-Up-Content reingezogen, in meinen Alltag integriert und mich so auch immer wieder optimiert. Und dabei oft nicht gemerkt, wie sehr ich mich selbst unter Druck gesetzt habe – oder wie subtil diese Kultur sich in den Alltag einschleicht.
Doch warum das Ganze eigentlich?
Was bedeutet glow up?
Die sogenannte Glow-Up-Culture ist mehr als nur ein viraler Trend – sie ist ein Spiegel unserer Zeit. Es geht ums Strahlen, ums Aufblühen, ums „die beste Version seiner selbst“ werden. Klingt auf den ersten Blick inspirierend, oder? Vor allem auf Social Media begegnen uns täglich Vorher-Nachher-Bilder, Beauty-Routinen, Fitnesspläne und Makeovers, die eine scheinbar mühelose Verwandlung zeigen.
Doch hinter dem Begriff „Glow Up“, der eigentlich für positive Entwicklung steht, steckt oft ein ziemlich einseitiges Ideal: äußerlich schöner, fitter, produktiver. Eine Reise zur Selbstoptimierung – manchmal mit echtem Mehrwert, oft auch mit viel Druck und wenig Raum für Echtheit.
Meist geht es dabei um eine sichtbare Veränderung – äußerlich wie innerlich.
Da wären zum einen die klassischen äußeren Merkmale: ein trainierter Körper, oft auch mit Gewichtsverlust, durchdachte Skin Care Routinen, typgerechtes Make-up, ein neuer Kleidungsstil oder auch Veränderungen durch ästhetische Eingriffe. Alles Dinge, die auf Social Media gerne mit Vorher-Nachher-Bildern gefeiert werden und von Influencer:innen im besten Licht präsentiert werden.
Doch ein Glow Up beschränkt sich nicht nur auf das Äußere. Auch die innere Transformation spielt eine große Rolle: Mentale Gesundheit, Selbstvertrauen, Selbstliebe – Themen, die endlich mehr Sichtbarkeit bekommen. Viele setzen auf tägliche Routinen, mehr Disziplin oder persönliche Weiterentwicklung. Andere entdecken Achtsamkeit und Spiritualität für sich – etwa durch Journaling, Meditation oder bewusste Pausen im Alltag.
Kurz gesagt: Die Glow-Up-Culture umfasst alles, was uns irgendwie „besser“ machen soll – im Idealfall im Einklang mit uns selbst, doch nicht selten auch unter gesellschaftlichem Druck.
Doch was soll daran schlecht sein? Warum sollte man auch Kritik an der Glow-Up-Culture äußern?

Die Dosis macht das Gift
Wie bei so vielem im Leben, glaube ich ganz fest: Die Dosis macht das Gift. Und wenn wir uns die Welt der Glow-Ups und der ständigen Selbstoptimierung anschauen, dann wurde in den letzten Jahren ordentlich überdosiert.
Wer Social Media mit offenen Augen nutzt, erkennt schnell: Hinter jedem Glow-Up steckt nicht nur ein neues Ich, sondern oft auch ein ordentlich klingelndes Kassensystem – vor allem für Marken, Programme und natürlich Influencer:innen. All die Produkte, Rituale und Services, die für ein „besseres Selbst“ sorgen sollen, sind selten zufällig im Feed gelandet. Vielmehr bedienen sie eine riesige Industrie, die ganz genau weiß, womit man am meisten verdienen kann: mit Angst.
Angst, nicht schön genug zu sein. Nicht fit genug. Nicht jung genug. Nicht gut genug. Eigentlich: nicht geliebt zu werden.
Genau hier setzt die Glow-Up-Culture an – und vermarktet diese Unsicherheit auf geschickte, oft sehr ästhetische Weise. Der Druck, da mithalten zu wollen, bleibt dabei bei den Menschen hängen, die sich Zugehörigkeit wünschen und vielleicht gerade an einem Punkt in ihrem Leben stehen, an dem sie besonders empfänglich dafür sind.
Viele dieser scheinbar makellosen Routinen sind gekauft. Der Content ist gesponsert, die Produkte kaum länger als für den Dreh benutzt, und das strahlende Ergebnis oft das Resultat von ganz anderen Mitteln.
Gerade deshalb ist es heute wichtiger denn je, sich bewusst zu machen: Wem schenke ich meine Aufmerksamkeit? Was glaube ich? Und was davon tut mir wirklich gut?
Nicht alles, was uns als Realität verkauft wird, ist auch echt – oft ist es inszeniert, gefiltert und strategisch platziert. Und wenn der nächste Glow-Up-Trend schon wieder um die Ecke wartet, lohnt es sich, kurz innezuhalten und sich zu fragen: Brauche ich das wirklich – oder will ich einfach nur dazugehören?
Generell tut es uns allen gut, regelmäßig mal einen Schritt zurückzutreten und den Social-Media-Konsum bewusst zu gestalten. Statt alles ungefiltert aufzunehmen, sollten wir darauf achten, nur das zu konsumieren, was uns wirklich guttut – was uns inspiriert, bereichert oder einfach gut fühlen lässt. Diese kleine Auszeit hilft, den Kopf frei zu bekommen, den eigenen Wert abseits von Likes und Vergleich zu spüren und wieder mehr bei sich selbst anzukommen. Mehr Infos dazu am Ende des Artikels in einer Studie des Institut für Psychologie an der York University.
Was ich mich frage: Welchen Vorteil hatte ich jemals davon?
Und ja, ich nehme mich da ganz bewusst nicht raus – ich war, und bin es vielleicht noch immer, Teil dieses Systems. Schon lange bevor man von Glow-Up-Culture gesprochen hat, habe ich optimiert, bewundert, ausprobiert. Auch ich teile heute Routinen, die mir tatsächlich guttun, an denen ich festhalte und die ich konsequent lebe. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, fahre ich oft ein Tempo, das kaum jemand auf Dauer gesund durchhält – ich eingeschlossen.
Mir war das lange gar nicht wirklich bewusst. Ich habe mir ein bestimmtes Bild von mir selbst erschaffen – oder vielmehr: in meinen Kopf eingebrannt. Ein Ideal, das ich seit über zwanzig Jahren zu erreichen versuche. Und in dieser Zeit habe ich viel geopfert. Ich habe verzichtet, mich unter Druck gesetzt, war oft unbarmherzig zu mir selbst. Alles nur, um irgendwann dort anzukommen, wo ich dachte, dass ich endlich genug bin.
Doch kürzlich habe ich mir eine entscheidende Frage gestellt: Warum eigentlich?
Was hatte ich je davon, wenn ich XY wiege und spindeldürr bin?
Habe ich dadurch den Job meines Lebens bekommen? Nein.
Habe ich so die große Liebe gefunden oder festhalten können? Auch nicht.
Wurden dadurch Freundschaften tiefer, mein Leben erfüllter, mein Herz leichter? Ganz ehrlich – nein.
Also frage ich mich heute: Warum war mir das all die Jahre so wichtig? Und was habe ich alles dafür aufgegeben?
Es ist nicht leicht, sich das einzugestehen. Doch vielleicht ist genau dieser Moment der Anfang eines echten Glow-Ups – eines, das nicht auf Zahlen, Spiegelbilder oder Bewertung basiert, sondern auf Ehrlichkeit, Sanftheit und echtem Selbstwert.
Ist ein Glow-Up nun per se schlecht?
Nein – zumindest für mich persönlich nicht. Und vielleicht ist genau das der Punkt: Bevor wir den nächsten Glow-Up starten, sollten wir uns fragen, woher der Impuls eigentlich kommt. Was treibt mich an? Geht es wirklich um mehr Gesundheit, Ruhe, Selbstliebe? Oder will ich einfach nur raus aus dieser inneren Spirale der Angst – der Angst, nicht zu genügen, nicht dazuzugehören, nicht geliebt zu werden?
Ich weiß, meine Meinung ist nur eine von vielen – jedoch möchte ich dir etwas mitgeben, das ich tief in mir fühle:
Die Menschen, die dich wirklich lieben, sind nicht wegen deiner Frisur in deinem Leben. Sie sind nicht da, weil du ein bestimmtes Make-up trägst, XY wiegst, regelmäßig zum Pilates gehst oder weil du es schaffst, 60 Minuten am Stück zu meditieren.
Sie bleiben, weil sie dich lieben. Deine Seele. Deine Art. Deinen Humor, dein Chaos, deine Wärme, deine Gedanken und auch die negativen Aspekte des Lebens, die Teil von dir sind.
Frag dich ganz ehrlich bei all den Menschen in deinem Leben, die nur wegen „Perfektionsgründen“ da sind: Sollten sie wirklich dauerhaft ein Teil davon sein? Oder bringen sie vielleicht dieses Angst-System in dir zum Klingen – und machen es dir dadurch schwerer, wirklich frei und leicht zu sein?
Fazit
Sich weiterentwickeln zu wollen, ist etwas Schönes – keine Frage. Doch vielleicht sollten wir dabei öfter innehalten und spüren: Tut mir das gerade wirklich gut? Oder mache ich es, weil ich glaube, nur dann „richtig“ zu sein? Glow-Up, ja – doch bitte mit Gefühl. Mit Bewusstsein. Und vor allem mit ganz viel Sanftheit uns selbst gegenüber.
Alles Liebe Nina
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